Europa verbessert Prävention

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Die EU-Gesundheitskommission plant die Werbefreiheit für Zigaretten und andere Tabakprodukte einzuschränken und damit die bisher starke Markenprägung der Raucher aufzuweichen und die starke Bindung der Nikotinabhängigen aufzulockern. Nach dem Beispiel von Australien und Brasilien sollen die Schachteln weitgehend ununterscheidbar werden.

Einige Punkte, die ein Arbeitspapier der EU-Kommission von Tonio Borg (Malta) empfiehlt, sind:

  • einheitliche Schachteln mit vorgegebener Größe (mindestens 20 Zigaretten pro Schachtel) und Form (keine abgerundeten Ecken)
  • Angleichung der Zigaretten z. B. durch Vorgabe des Durchmessers (mind. 7,5 mm) und Farbe des Papiers (heute werden häufig Papiere verwendet, die mit Kork- oder Zigarillo-Optik neue Käuferschichten erschließen sollen)
  • Warnhinweise auf 75% der Schachtel (bisher 30%)
  • Verbot von Tabak-Zusätzen wie Vitaminen, Koffein, Taurin, Menthol und Farbstoffen
  • Verbot von Texten wie „biologisch“, „natürlich“ u. ä.

Dadurch, dass z. B. die Slim-Zigaretten nicht mehr möglich werden, soll vor allem die in der jüngeren Vergangenheit gestiegene Zahl der rauchenden Frauen eingedämmt werden. Wenn alles gut geht könnte der Gesetzentwurf für weitreichendere Tabak-Restriktionen noch vor Weihnachten 2012 beschlossen werden. Gleichzeitig werden auch die bei Frauen und jungen Rauchern beliebten  Menthol-Zigaretten nicht mehr möglich sein.

In einem weiteren Schritt, nach Kommistionsentwürfen fünf Jahre nach Inkrafttreten der Veränderungen, sollen sämtliche individuellen Merkmale wie Logos, Bilder und Schriftarten verschwinden und einheitlich gestaltete Schachteln nur mehr den Markennamen und die Bezeichnung der Sorte tragen dürfen („Plain Packaging“). Die frühere Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing (SPD) wollte bereits im Jahr 2010 die deutlich wirksameren Schockbilder auf den Packungen sehen. Ihre Nachfolgerin Mechthild Dyckmans (FDP) kippte die Entscheidungen und begründet dies mit der Rechtssicherheit, die der Europäische Gerichtshof in Brüssel vorher schaffen soll. Entgegen dieser lobbyfreundlichen Abwarteposition wollen viele andere EU-Länder (darunter Belgien, Frankreich und Großbritannien) nicht warten, sonder drucken wie mindestens 30 weitere Staaten weltweit abschreckende Fotos auf die Zigarettenschachteln.

Unter den Entwurfsoptionen soll auch die Regelung von Verkaufsorten (Point of Sale) sein. In Geschäften solle künftig nur noch eine Sorte pro Marke angeboten werden. Heute differnzieren Hersteller häufig Ihre Sorten in fünf bis sieben Zielgruppen.

Quellen: http://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article109114310/EU-Kommission-holt-zum-Schlag-gegen-Tabakindustrie-aus.htmlhttp://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2012-12/eu-tabakindustrie-regeln
Wer raucht Mentholzigaretten und warum erschweren diese das Aufhören?: http://www.focus.de/gesundheit/gesundleben/nichtrauchen/news/raucher_aid_116267.html

 

Edit 17.12.2012:  Einen sehr schönen Bericht zum Thema Bevormundung hat der bekennende aber überlegende Raucher Thomas Exner in der Welt geschrieben. Er kritisiert, dass diesmal nicht Nichtraucher geschützt werden sondern der Abhängige selbst zum Ziel wird. Er vergleicht den künftigen Tabak-Kauf mit den Peinlichkeiten, denen ein Interessent früher beim Kauf von Kondomen ausgesetzt wäre. Leider wird er am Ende des Beitrags etwas unsachlich und versucht eine Verschwörung ins Leben zu rufen, EU-Politiker wollten die Freude aus den Menschen pressen (durch Verbote von Tabak, Alkohol und Zucker). Trotzdem lesenswert: http://www.welt.de/print/die_welt/article112008565/Tabak-und-Tyrannei.html

Ganz anders sieht es dagegen aus, wenn der Bundesgesundheitsminister Christian Bahr zum offenen Lobbyisten wird und anstatt seine Aufgabe wahrzunehmen die Arbeit anderer kritisiert. Er wird zitiert damit, dass die Pläne ja bislang nur Entwürfe des Kommissars seine und er, Bahr, „die Bürger von gesundheitsbewusstem Verhalten überzeugen und nicht gängeln oder bervormunden [will]. Die einzelnen Vorschläge müssen jetzt diskutiert werden.“. Nichts gegen Weihnachten – aber Herr Bahr, Sie glauben ja auch nicht mehr an das Christkind. Deswegen: den Bürger selbst entscheiden lassen auf der einen Seite und die mächtige Manipulationsmaschine der Werbeindustrie im Namen der Tabakkonzerne auf der anderen Seite … zu was führt wohl? Und solange das von Ihnen für Nikotinsuchtprävention verauslagte Budget geringer ist, als das Werbeaufkommen für Tabakprodukte und die Lifestyle-Produkte rund um Zigaretten (z. B. Marlboro-Country: Bürgern ihren freien Willen und ihre Gesundheit sichern mit Gesetzen. Danke, dass Sie Ihrer Aufgabe nachkommen. Und nachträglich herzlichen Glückwunsch, dass Sie es geschafft haben, das Rauchen aufzugeben (Bahr: “Ich habe Zigaretten geraucht, habe aber damit aufgehört, weil ich häufig erkältet war und letztlich gemerkt habe, dass es meiner Fitness nicht gut tut.”) – und das meinen wir alles ganz ernst.