Ein Vater wiederspricht

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Die Frankfurter Rundschau, die SZ und viele andere Zeitungen berichten über die Debatte, die eine Aktion des Landtagsabgeordneten Mario Krüger (Die Grünen) zusammen mit dem Berliner „Forum rauchfrei“ ausgelöst hat. Zusammen überklebten Sie ein Werbeplakat für Zigaretten mit einem rauchenden jungen Paar als Hauptmotiv mit weißem Papier und dem Slogan „Stoppt Tabakwerbung und die Tabakmesse in Dortmund“.

MdL Krüger, der selbst raucht, hatte die Aktion unterstützt weil das Werbeplakat unmittelbar vor eine Kindertagesstätte (Kita Kleiner Prinz e.V.) geklebt war und er dies für völlig unangemessen hält und deshalb den Weg des zivilen Ungehorsams geht. Er selbst sagte in einem Interview mit dem WDR: „Ich rauche nicht gerne, ich bin abhängig. Und das will ich kommenden Generationen gerne ersparen. Ich kenne aus meiner eigenen Jugend sehr gut die Instrumente der Tabakindustrie. Zum Beispiel die Werbung mit dem HB-Männchen, die ich als Kind und Jugendlicher immer gern gesehen habe. Ich bin in einem Raucherhaushalt groß geworden, auch mein Arbeitsleben hat sich lange Jahre in völlig verqualmten Büros abgespielt. Ich habe also am eigenen Leib miterlebt, wie man durch Werbung und durch Raucher in der Umgebung systematisch an den Nikotinkonsum herangeführt wird. Deshalb halt ich alle Instrumente, die das Rauchen erschweren, für richtig.“

Das ausgelöste Medienecho verleitete den Industrieverband der Tabakunternehmen zur Aussage, das einen Verzicht von Werbung vor Kitas nicht für notwendig halte, Kinder unter sechs Jahren, also vor dem Schulalter, wären noch nicht in der Lage, Inhalt und Botschaft der Tabakwerbung zu verstehen. Für Schulen und Jugendzentren gilt ein internen Kodex, der Werbung an nahen Standorten als unzulässig deklariert, Kindergärten, Kitas usw. sind davon jedoch ausgenommen.

Johannes Spatz vom Forum Rauchfrei wiederspricht im SZ-Interview: In einem 2001 durchgeführten Experiment des Forums konnten Kinder zwischen vier und sechs Jahren Werbeplakate von Tabakproduzenten auch ohne sichtbare Zigaretten größtenteils den richtigen Sparten zuordnen können. „Gerade bei kleinen Kindern ist Werbung gefährlich, weil sie noch weniger als Jugendliche selbstbestimmt sind.“

Als Vater eines Fünf- und einer knapp Dreijährigen kann ich die Wahrnehmung von Kindern nur bestätigen. Meine Kinder, denen ich Rauchen als gefährlich und den Raucher als traurigen Menschen (ohne Angst oder Hass vor dem Menschen selbst, sondern vor der Zigarette!) gezeigt habe, zeigen mir ohne mein Zutun Plakatwerbung mit Worten wie „Schau mal, die ekligen Zigaretten!“ oder „Warum rauchen die Menschen auf dem Bild, wenn es doch gefährlich ist?“. Das liegt nicht zuletzt an der breiten Werbefront für Zigaretten in Deutschland: überall liegen Kippen, leere Zigarettenschachteln, omnipräsent ist die Werbung durch sichtbare Zigarettenautomaten, durch Verkaufstheken in Supermärkten und durch Videopräsentationen in Tankstellen, durch Plakatwände und Litfaßsäulen und selbstverständlich durch rauchende Jugendliche und Erwachsene.

Deshalb kann eine Selbstverpflichtung durch die Industrie nicht ein vollkommenes Tabakwerbeverbot ersetzten – wir wollen nicht den jetzigen Raucher zu einem kalten Entzug zwingen aber die künftige Generation gar nicht erst zu einer rauchenden Generation werden lassen. Nicht ohne Grund fordert die britische Ärztevereinigung eine radikalen Initiative für eine komplett rauchfreie Gesellschaft bis 2035 – durch ein Verkaufsverbot für alle, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden.

Weitere Informationen: www.forum-rauchfrei.de
Q: http://www.derwesten.de/staedte/dortmund/landtagsabgeordneter-ueberklebt-tabakwerbung-neben-kita-img26-id9750189.html, http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/kein-freiwilliger-verzicht-tabakindustrie-will-weiter-vor-kitas-werben-1.1806343