Ein guter Tag für Europa – mit Abstrichen

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Trotz des massiven Lobbyaufgebots und enormer Summen von Tabakeuros haben die europäischen Abgeordneten mit großer Mehrheit entschieden: die Menschen in Europa müssen besser geschützt werden. Vor allem Kinder, Jugendliche und erwachsene Nichtraucher sollen Zigaretten künftig nicht mehr so attraktiv und ungefährlich verkauft werden können. Tabak ist so ziemlich das einzige Produkt, das bei bestimmungsmäßigem Gebrauch sowohl süchtig als auch krank macht – und das soll deutlich werden. In Zukunft bedecken sogenannte „Schockbilder“ gut zwei Drittel der Schachteln, es bleibt weniger Platz für einprägsame Logos und Werbeversprechen.

Der Einstieg in die Tabaksucht soll auch dadurch schwieriger werden, dass künftig Zusatzstoffe wie Menthol, Vanille, Schokolade und Co. verboten sind – sie unterdrücken den Hustenreiz, oder das Brennen im Mundraum und auf der Zunge,  mildern den beißenden Gestank von brennendem Tabak und machen dadurch den Erstkonsum überhaupt erst erträglich. Wie stark der Einfluss der Tabaklobbyisten dennoch ist sieht man daran, dass die Parlamentarier in letzter Minuten eine Übergangsfrist von acht Jahren für Menthol-Zigaretten haben möchten, alle anderen Zusatzstoffe werden nach drei Jahren verboten.

(c) by Guchy / SXC.hu

Rauchen fällt ab jetzt ins Wasser.

EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg will künftig noch besser verhindern, dass „die Bevölkerung einer Stadt wie Krakau in Polen oder Palermo in Italien jedes Jahr ausradiert wird“ – in der EU sterben jedes Jahr geschätzt 700.000 Menschen durch Tabakkonsum. Er wird sich hoffentlich nicht von den Veränderungen und Abschwächung seiner Vorschläge entmutigen lassen und weiter um einen noch besseren Nichtraucherschutz kämpfen.

Dazu gehört auch, dass sogenannte Frauen- oder Kinderzigaretten, die von der Tabakindustrie „Slim-Cigaretten“ genannt werden, abgeschafft werden. Durch den niedrigeren Preis, die kürzere Rauchdauer und den auf kleine Hände und Münder angepassten Tubus sind sie eindeutig auf die schwächsten in der Verführungskette abgestimmt. Auch bei den E-Zigaretten haben die Lobbyverbände ganzes geleistet und verhindert, dass diese Verdampfer und Zerstäuber in Zukunft nur noch in Apotheken abgegeben werden können. Immerhin sollen Sie künftig als Tabakprodukte eingestuft werden und damit dem Verkaufsverbot an unter 18-jährige unterliegen.

Die Tabak-Befürworter betonen stets, dass als Tabakkonsumenten nur Erwachsene, freie Bürger in Betracht kommen und dass natürlich Jugendliche am Raucheinstieg gehindert werden müssten. Gleichzeitig lehnen Sie jede „Bevormundung“ durch die Einschränkung von Werbung, Verkauf und jede Besteuerung ab. Besonders Abgeordnete die sich selbst zum „liberalen“ Spektrum der Parteien zählen zeigen sich über die Regelungen entsetzt, sprechen von „kalter Enteignung“ und Verletzung von Eigentumsrechten wenn Ihnen das Recht genommen würde, auf den eigenen Schachteln für sich zu werben. Mit diesen Argumenten und der nicht enden wollenden Warnung vor dem Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen ist es ihnen gelungen zu verhindern, dass das als „Plain Packaging“ (Neutrale Verpackung) bekannte Gesetz zur Reduktion von Kaufanreizen auf den Schachtel auf ein Minimum mit in den Kanon der Maßnahmen aufgenommen wird.

Gesundheitspolitiker aller Parteien zeigen sich erschüttert, dass die Macht der tödlichen Tabakindustrie so weit in die Gesetzgebung hineinreicht. Gut, dass sich viele Politiker trotz allem nicht von der Marktmacht und dem Geld erschüttern lassen und weiter gegen die Markenprägung und Suchtmaschine kämpfen. Wir haben große Hoffnung dass die vom EU-Parlament beschlossenen Schritte in den Verhandlungen mit den Regierungen der Länder aufgrund der großen Mehrheit im Parlament noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden können.