Zigaretten enthalten Kunststoff

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Na gut, die Überschrift ist etwas provokant – aber ab 03. Juli 2021 müssen Zigarettenverpackungen, deren Inhalt mit einem Filter aus Plastik daher kommt, eine Deklaration tragen. Die EU-Kommission hat Ende vergangenen Jahres beschlossen, harmonisierte Kennzeichnungsvorschriften für Einwegkunststoffe einzuführen (Verordnung über die Beschaffenheit und Kennzeichnung von bestimmten Einwegkunststoffprodukten, kurz: Einwegkunststoffkennzeichnungsverordnung – EWKKennzV) .

Neben Zigarettenfiltern, die aus Celluloseacetet bestehen, müssen auch verschiedene Hygieneprodukte und Getränkebecher die normierten Kennzeichnungen tragen. Auch Filter, die zur Verwendung mit Tabakprodukten gedacht sind, werden genannt – allerdings werden Kleinmengen (warum auch immer) mit einer Oberfläche von 10cm² davon ausgenommen.

Q: SUPs marking specifications (europa.eu)

Zigarettenfilter sind – im Hinblick auf die Filterung von Schadstoffen in unseren Augen – wirkungslos, sie verhindern nur, dass neue Raucher von den Tabakbröseln im Mund abgehalten werden, mit dem Rauchen anzufangen, und dass Raucher weniger Rauchen, weil Sie das Mundgefühl stört. Außerdem wurden durch mikroskopische Löcher in den Filterpapieren die Abrauchmaschinen zur Festlegung der Schadstoffmengen „betrogen“; ein menschlicher Raucher drückt diese Löcher normalerweise mit den Fingern zu und nimmt andere Mengen an giftigen Gasen auf.

Das Grundmaterial von klassischen Filtern besteht aus Holzfasern. Diese werden in einem aufwändigen chemischen Verfahren durch Auflösen in den Lösungsmitteln Ethansäure und Acetanhydrid zu einem der ältesten thermoplastischen Kunststoffen umgewandelt: Celluloseacetat. Inzwischen stellen Zigarettenfilter den weltweit bedeutendsten Absatzmarkt für dieses Plastik dar.

Die hieraus hergestellten 6,5 Billionen Zigarettenfilter (d. h. 18 Milliarden pro Tag!) stellen auch in der Umwelt ein gigantisches Problem dar. Sie sind der weltweit am häufigsten gefundene, illegal oder falsch entsorgte Müll. Schätzungsweise nur ein Drittel wird korrekt entsorgt, der Rest, d. h. über 4 Billionen Stummel, werden beiläufig auf den Boden, aus dem Fenster, in die Umwelt geschnippt. Theoretisch ist dies illegal und strafbewehrt – aber die zuständigen Behörden sehen sich häufig nicht in der Lage, diesen Missstand auch zu ahnden.

Problematisch ist der Abbau in der Umwelt unter anderem dadurch, dass er verfügbarem Futter in Größe und Form (z. B. Schnecken, kleinen Fischen oder Raupen) gleicht und deshalb von Vögeln und Fischen aufgenommen wird. Diese können an dem unverdaulichen Balast in ihren Mägen sterben, da sie durch den vollen Magen kein weiteres Futter mehr aufnehmen können – sie verhungern.

Natürlich ist auch der in den Filtern zurückgehaltene Anteil an Schadstoffen aus der Tabakverbrennung problematisch vor allem für Wasserlebewesen. Man sagt, ein Zigarettenfilter verschmutzt bis zu 40 Liter Frischwasser. Es gibt Untersuchungen des Forschers Tom Novotny, die besagen, dass ein einziger Zigarettenfilter in einem Liter Wasser die hälfte der darin lebenden Fische tötet. Besonders brisant ist das deswegen, weil die leichten Filter durch Oberflächenwasser leicht in Gewässer und schlussendlich in die Meere dieser Welt gelangen.

Dabei sind die Stummel aber nicht allein ein ökologisches sondern auch ein gesamtgesellschaftliches ökonomisches Problem: allein die Stadt San Francisvo gibt jedes Jahr etwa 7.500.000 US-$ aus, um Zigarettenstummel von Straßen und aus Parks zu entfernen. Und natürlich bleibt der giftige Filter auch ein Problem für Kunder: allein beim Giftnotruf in Berlin gingen in den Jahren 2015 bis 2017 2.888 Anrufe ein, die im Zusammenhang mit dem Verschlucken von Zigaretten oder Teilen davon standen. Ahängig vom Gewicht der Kinder können deutliche Vergiftungserscheinungen bereits nach ein bis drei Stummeln auftreten.

Die erste Marke, die Filter aus dem Problemstoff Ceeluloseacetat einsetzte, war übrigens Viceroy (BAT, British American Tobacco) 1950, mit dem Versuch, Teer und Nikotin im Rauchstrom zu reduzieren. Weggeworfen werden die Filter also bereits seit über 70 Jahren. Der sorglose Umgang resultiert vor allem aus Unkenntnis – gehau hier setzt die neue Kennzeichnungspflicht an. Aber auch Ignoranz und Bequemlichkeit sind Gründe, für die es keine Entschuldigung und auch keine Lösung außer Verboten gibt.

Q: Wikipedia, National Geographic