Tabakwerbung gezielt für Kinder gemacht?

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Auch wenn Tabakkonzerne seit Jahren Wert darauf legen, dass Ihre Werbung – ob auf Plakaten oder im Kino – nur für junge und ältere Erwachsene bestimmt sei zeigen Studien doch regelmäßig, dass sie vor allem für Kinder interessant und verführend wirken. Und vermutlich dürfte das auch die Absicht hinter der Werbung im Wert von mehr als 200 Millionen € pro Jahr alleine in Deutschland sein.

Für die DAK (Deutsche Angestellten Krankenkasse) hat das Kieler Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) das Rauchverhalten von 6.900 Kindern von zehn bis 18 Jahren dokumentiert und analysiert. In seiner Erläuterung schildert Prof. Reiner Hanewinkel: „Während vor zehn Jahren so gut wie ausschließlich Zigaretten geraucht wurden, sind heute Shishas, E-Zigaretten und E-Shishas von großer Bedeutung“. Bereits 22 % der Schülerinnen und Schüler haben bereits an einer elektrischen Zigarette und ebenso viele an der „echten“ Tabakzigarette gezogen. Noch höher ist der Shisha-Verbreitungsgrad: 23 % haben damit schon Erfahrungen gemacht. In Deutschland ist der Konsum von Tabak und auch von elektrischen Verdampfern wie sie in E-Zigaretten und dem Shisha-Pendant eingesetzt werden für Jugendliche unter 18 Jahren verboten.

Schädlich? Ach!?

Viele der Minderjährigen halten die elektronischen Varianten aber für mehr oder weniger ungefährlich. „Auch wenn der Schadstoffgehalt bei E-Zigaretten im Vergleich zu Tabakzigaretten geringer ist und es nikotinfreie Varianten gibt: Die gesundheitliche Unbedenklichkeit der E-Zigarette ist nicht erwiesen.“ sagt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – es gibt sogar Untersuchungen die eine Gefährdung sehen, die fast dem der Tabakzigarette entspricht.

Gerade diese Verharmlosung macht die E-Kippe aber so verführerisch – reue- und risikoloser „Genuß“. Weil aber Werbung bei jungen Menschen besonders gut verfängt, ist dies verhängnisvoll. Hanewinkel meint: „Und diese Werbung wirkt gleich mehrfach“. Denn wenn Kinder Werbung für E-Zigaretten kennen benutzten sie diese nicht nur häufiger, sie konsumierten auch häufiger andere nikotinhaltige Produkte wie Shishas oder echte Kippen.

Die Schlussfolgerung der DAK ist einfach:  „Kinder und Jugendliche werden durch Werbung zum Rauchen verführt. Deshalb muss die Politik nun endlich ein umfassendes Werbeverbot für Tabak, Zigaretten und auch für E-Zigaretten durchsetzen“, fordert Andreas Storm, Vorstandschef der DAK. Besonderes Augenmerk liegt auf neuen Firmen, die bisher weniger im Blick sind als die herkömmlichen Tabakmultis.

Juul heißt die Marke eines US-Unternehmens, das in manchen amerikanischen Großstädten bereits 70 % des E-Zigarettenmarktes beherrscht. In kürze will Juul auch in Europa den Verkaufsstart beginnen. Leider droht auch in Europa ein ähnlicher Hype, obwohl die EU-Tabakrichtlinie längst nicht so viel abhängig machendes Nikotin in den Liquids zulässt, wie es Juul in Amerika verkauft. Bis zu 5 % Nikotin sind dort in den Verdampfer-Flüssigkeiten enthalten, in der EU sind maximal 2 % zulässig. Das bewusst an das Wort „cool“ angelehnte Produkt ist äußerlich eher ein USB-Stick oder ein Textmarker als eine Zigarette und kann über den Laptop mit Strom versorgt werden. Obwohl es offiziell erst an (je nach Bundesstaat) 18- bis 21-jährige verkauft werden darf hat es vor allem an Schulen seine Nische gefunden.

Inzwischen werden Eltern und Lehrer gegen den extremen Suchtfaktor der E-Zigarette aktiv. E-Bay Nordamerika soll den Verkauf auf den Druck der Öffentlichkeit inzwischen eingestellt haben, die nationale Behörde für Lebensmittelüberwachung und Arzneimittel, (FDA, Food and Drug Administration) wurde von diversen Politikern zum Eingreifen aufgefordert. Bei Testkäufen der FDA konnten Jugendliche und Kinder in Tankstellen und kleinen Läden fast überall Juul erwerben, obwohl das streng verboten ist. Der Einstiegspreis liegt bei einem Starter-Set bei etwa 50 $, die Liquids liegen bei wenigen Dollars. Die E-Zigarette kann, anders als Tabakprodukte, auf der Schultoilette oder gar im Klassenraum verwendet werden ohne bemerkt zu werden oder die überall verbauten Rauchmelder auszulösen.

E-Zigaretten sind ein echter „Wachstumsmarkt“ – und das trotz unerforschter Langzeitfolgen und diverser Studien, die das Suchtpotential und die Gefährlichkeit von Verdampfern zeigen. Umsatzsteigerungen von 50 % jährlich und ein Umsatz von gut 600 Millionen Euro bedeuten inzwischen 10 % Marktanteil in Deutschland. Immerhin hat die FDA in Amerika nun Juul Labs und zwei weitere Hersteller aufgefordert über Inhaltsstoffe und Wirkung sowie die Vermarktung ihrer Vaporisatoren und der Liquids Auskunft zu geben.  „Die traurige Wahrheit ist, dass elektronische Nikotinliefersysteme wie E-Zigaretten enorm populär bei Kids geworden sind“, erklärt Scott Gottlieb, Chef der FDA. „Wir verstehen noch nicht, warum. Aber es ist geboten, dass wir es herauskriegen, und zwar schnell. Diese Dokumente könnten uns helfen.“

Einen ersten Hinweis, warum die E-Kippe bei Jugendlichen (neben der geringen Entdeckungsgefahr durch Lehrer und Eltern) so verfängt könnten die Verkaufstitel der „Geschmacksrichtungen“ der verwendeten Verdampfer-Flüssigkeiten liegen: „Cool Cucumber“, „Crème Brulée“, „Stoned Smurf“ oder „Fruity Fun Cereal“ – das klingte nicht nach einer Absatzstrategie für Mittfünfziger in der Stahlindustrie sondern deutlich nach jungen, kreativen, weiblichen Käuferschichten. Und das bei dieser Nikotinmenge: in einer kleinen Juul-Kartusche ist soviel Nikotin enthalten wie in einer Schachtel mit 20 Zigaretten. Der Hersteller wirbt sogar mit einem schnelleren, härteren Kick als bei konventionellen Glimmstängeln. Unterlagen für Investoren von Juul zeigen eine annähernd hohe Nikotinaufnahme wie beim „echten“ Rauchen.

 

Q: Spiegel, WELT, SAT1