Tabakwerbung soll eingeschränkt werden – Erfolg?

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Die Union, die seit Jahrzehnten erfolgreich die Tabakwerbung fördert oder anders gesagt, seit Jahrzehnten erfolgreich von der Tabakindustrie „unterstützt“ wird, hat sich dem allgemeinen Trend zu mehr persönlicher und gesellschaftlicher Gesundheit, zu mehr Umwelt- und Verbraucherschutz nicht länger entgegen stellen können.

Könnte man meinen. Betrachtet man das, was die Vertreter von CDU und CSU nach dem öffentlichen Statement von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel gegen Tabakwerbung nun beschlossen haben, genau, fällt auf: irgendwie sind die „Restlaufzeiten“ doch ganz schön lang und gibt es da nicht doch noch viele Möglichkeiten, das ganze zu torpedieren und zu unterlaufen?

Hier mal ein kurzer Überblick, was nach diesem Beschluss weiter erlaube sein wird:

  • Kinowerbung rund um die Uhr in Filmen mit FSK18 (bis 1. Januar 2021 wie bisher nach 18 Uhr auch in Filmen ohne Altersbeschränkung, d. h. für Filme mit FSK0, FSK6, FSK12 und FSK16)
  • Werbung am Verkaufsort (POS / Point-of-Sales) auch mit multimedialer Unterstützung z. B. durch großformatige Leinwände, obwohl Fernsehwerbung für Tabakwaren verboten ist
  • Bis 1. Januar 2022 alles, war bisher erlaubt war (also Plakatwerbung usw.)
  • Bis 1. Januar 2023 klassische Werbung für Tabakerhitzer
  • Bis 1. Januar 2024 Advertising für E-Zigaretten, Liquidverdampfer, Vaporisatoren
  • Kostenlose Produktproben in Räumen des „Fachhandels“
Tabakwerbung verführt vor allem Kinder und Jugendliche in eine oft tödliche Sucht.
Tabakwerbung tötet.

Dass nun die Plakatwerbung für Produkte, die bestimmungsgemäß angewandt planmäßig abhängig machen und ihre Nutzer krank machen, häufig sogar töten, überhaupt angegriffen werden darf liegt sicher nicht am Wirtschaftsflügel der Union. Eher zeitigt der langjährige Einsatz von Gesundheitspolitikern und der ehemaligen Drogenbeauftragten Marlene Mortler Wirkung. Die neue in diesem Amt, Daniela Ludwig, wirkt gut vom Team Mortlers gebrieft und unterstützt z. B. den ehemaligen Landwirtschaftsminister Christian Schmidt, der noch immer für seinen von Voker Kauder erfolgreich verhinderten Gesetzentwurf kämpft (oder eben das, was Joachim Pfeiffer und Co davon übrig lassen).

Unterstützung kommt gerade auch von den Politikern, die sich mit Zahlen besser auskennen als z. B. Pfeiffer, für den Argumente kein Grund für eine Meinung zu sein scheinen. Es gilt als unbestritten, dass den Einnahmen aus der Tabaksteuer von nicht mal 15 Mrd € Kosten aus Renten- und Gesundheitskassen von mehr als 75 Mrd € entgegenstehen. Und was stört es den nach eigenen Aussagen „militanten“ Nichtraucher Pfeiffer, dass jedes Jahr 120.000 Menschen allein in Deutschland an den Folgen ihrer durch erfolgreiche Werbung ausgelösten Abhängigkeit sterben?

Weshalb sich also nun viele Medienanstalten mit Lobpreisungen für den Kompromiss, zu dem man sich durchgerungen hat, überschlagen bleibt für mich fraglich. Da ist die Rede von

  • „Ausgeraucht: Deutschland vor umfassendem Tabakwerbeverbot“ (Deutsche Welle)
  • „Weg frei für Tabakwerbeverbot“ (Tagesschau)
  • „Werbung für Tabak und Zigaretten vor dem endgültigen Aus – Union beendet Blockade“ (RTL)
  • „Union spricht sich für weitgehendes Tabakwerbeverbot aus“ (Welt)

Besser liest sich dieser Kommentar:

  • „Zum Abgewöhnen – Union und Tabakwerbeverbot“ (Tagesspiegel)

Gitta Connemann aus der Union machte in Interviews deutlich, wie schwierig das Ringen mit Argumenten wie „für legale Produkte muss auch legal geworben werden dürfen“ wäre. Dabei gelten für legale Medikamente und diverse frei verkäufliche Finanzprodukte zur Vermögensanlage schon jeher oder seit vielen Jahren Werbebeschränkungen. Vermutlich ging es den Lobbyisten aber sicherlich auch darum, den Fuß in der Tür für künftige Maßnahmen zu behalten: Sponsoring für nationale Veranstaltungen (wie Parteitage) ist und bleibt erlaubt.

Bei aller Trauer, um die liegen gelassenen Chancen (oder besser aufgeschobenen Möglichkeiten) bleibt die Freude darüber, dass endlich Bewegung in die Sache kommt. Großformatige Werbung auf Litfaßsäulen und Plakatwerbung wird in einiger Zeit nicht mehr zum Standart in deutschen Gemeinden gehören, Bushäuschen mit wartenden Kindern und Tabakwerbung hoffentlich auch nicht. Wie Jens Spahn sagte: „Rauchen ist eine der Hauptursachen für Krebs […] deswegen sollten wir vor Tabak warnen und nicht dafür werben.“

Bleibt abzuwarten, ob es nun zügig gelingt, einen Gesetzesentwurf durch die beiden Kammern der Gesetzgebung zu bringen, der tatsächlich all diese Verbesserungen bringt, und bis Jahresende, wie Merkel in Aussicht stellte, in einforderbares Recht zu gießen. Wir bleiben gespannt!